Klima und Pflanzen
Die Pollensaison der Birken beginnt 2–3 Wochen früher als vor 20 Jahren, jene der Gräser 10 Tage früher: Auswirkungen des Klimawandels?
Inhaltsübersicht:
Die Zusammensetzung der Vegetation ist eng an das Klima einer Region angepasst. Je nach Feuchtigkeit, Niederschlag und Temperatur gedeihen und siedeln sich unterschiedliche Pflanzen an. Das Klima hat deshalb auch einen entscheidenden Einfluss auf das Vorkommen von Pflanzen mit allergenen Pollen.
In Mitteleuropa sind die sechs wichtigsten Pflanzengruppen die Gräser, Birken, Hasel, Erlen, Eschen und der Beifuss. Im kühleren Alpenklima gedeiht z.B. die Hasel und die Esche nicht mehr und Beifuss kommt kaum mehr vor. Aufgrund der tiefen Temperatur produzieren die Pflanzen in den Alpen meist auch weniger Pollen, so dass dort die Pollensaison viel kürzer und schwächer ist.
Das Mittelmeerklima kennt andere Pflanzenarten, die wichtig für Allergien sind: Olivenbaum, Zypresse und Glaskraut (Parietaria). Die enge Verknüpfung mit der Temperatur lässt uns fragen, welche Auswirkungen eine Klimaänderung auf die Allergiesituation haben wird.
Klimaänderung – was wissen wir
Die Temperatur ist in den letzten 100 Jahren in der Schweiz um rund 1.3–1.6°C angestiegen. Diese Zunahme ist grösser als im globalen Mittel (0.6°C). Klimatologen erwarten bis zum Jahr 2050 eine Temperaturzunahme von 3°C im Sommer und 2°C im Winter. Die Niederschläge werden im Sommer abnehmen und im Winter etwas zunehmen. Modelle zeigen, dass gegen Ende des 21. Jahrhunderts jeder zweite Sommer so warm und/oder so trocken sein wird wie der Hitzesommer 2003.
Wie verändert sich der Pollenflug?
- Zeitliche Verschiebung der Pollensaison: Die Pollensaison der Birken und Eschen beginnt rund 2–3 Wochen früher als vor 20 Jahren. Die Gräserpollensaison beginnt etwa 10 Tage früher.
- Verlängerte Pollensaison: Eine Verlängerung der Pollensaison ist vor allem bei den Gräser- und Kräuterpollen sichtbar. Die Baumpollensaison ist bis jetzt nicht länger geworden, sie hat sich einfach um ca. 2 Wochen verschoben.
- Zunahme der Pollenmenge? Es wird vermutet, dass bei wärmeren Temperaturen mehr Pollen produziert werden. In den 20-jährigen Pollenmessungen der Schweiz ist dies noch nicht sichtbar, obwohl bei einigen Messstationen gewisse Arten grössere Pollenmengen aufweisen als vor 20 Jahren.
Welche Änderungen sind künftig zu erwarten
- Eine weitere Verfrühung der Pollensaison (ist anzunehmen)
- Eine mögliche Zunahme der Pollenmengen (ist noch unsicher)
- Mögliche Zunahme der Kräuterpollen (Ampfer, Wegerich, Beifuss, Gänsefuss) durch grössere Trockenheit im Sommer und mehr offenen Stellen
- Neue allergene Pflanzenarten können auftreten: Mögliche Einwanderung von wärmeliebenden Pflanzen, d.h. allergene Pflanzen des Mittelmeergebiets (Zypresse, Glaskraut – Parietaria), evtl. Olive. Die neuen allergenen Arten können die Dauer im Auftreten von Allergiesymptomen verlängern oder auch bei zusätzlichen Personen zu Allergien führen.
- Verschiebung der Vegetation in grössere Höhen, d.h. auch in den Bergen kann es bei einem wärmeren Klima mehr Pollen haben als heute
- Ausbreitung von Ambrosia und Zunahme der Ambrosiapollenmengen: Ambrosia breitet sich hauptsächlich aufgrund der menschlichen Aktivität aus, aber die Besiedlung von neuen Standorten durch Ambrosia wird durch die Klimaerwärmung unterstützt.
Zahlen und Fakten
In der Schweiz sind rund 1,2 Millionen Menschen, also etwa 20 % der Bevölkerung betroffen. Die Blüte eines einzigen Grashalms enthält rund 4 Millionen Blütenpollen. Zu den Blütenpollen, die keine Allergie auslösen, gehören die Nadelhölzer. Als gelber Staubniederschlag im Frühling gut sichtbar, bewirken sie allenfalls eine Reizung der Bindehaut.
Autorin: Dr. Regula Gehrig, Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz)
Literatur und Links
- Bundesamtes für Umwelt BAFU (mit zahlreichen Informationen und Publikationen zum Bestellen oder als Download)
- Aktuelle Daten für Ozon, Feinstaub und Stickstoffdioxid (Stundenmittel und 24-Stunden-Mittelwert)
- Luft: Das Wichtigste in Kürze
- NABEL: Werte der letzten 30 Tage zu Ozon, Feinstaub, Stickstoffdioxid und Schwefeldioxid
- Weitere Informationen zu Allergien und Intoleranzen
Redaktion: aha! Allergiezentrum Schweiz, in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Beirat. Für Prävalenzzahlen siehe Quellenverweise.