Purpurerle – Heuschnupfen an Weihnachten
Die nicht heimische Purpurerle (Alnus spaethii) sorgt bereits an Weihnachten für Heuschnupfen.
Inhaltsübersicht:
In der Fachzeitschrift «New England Journal of Medicine» erhält eine vom Schweizer Arzt Markus Gassner lancierte Studie besondere Anerkennung. Sie weist nach, dass die nicht heimische Purpurerle (Alnus spaethii) seit drei Jahren bereits an Weihnachten blüht, was gerade bei Kindern nachweisbar zu Immunreaktionen führt. Die Studie entstand in Zusammenarbeit mit MeteoSchweiz (Regula Gehrig) und der Allergiestation des UniversitätsSpitals Zürich (Peter Schmid-Grendelmeier).
Die Studie
Markus Gassner über die Hintergründe und Ziele der Studie: «Die Studie begann eigentlich 1981 mit einem Schüler, der Bäcker werden wollte. Er litt an Heuschnupfen. Ich riet ihm, einen anderen Beruf zu ergreifen. Aber er hatte schon einen Lehrstellenvertrag abgeschlossen. Die Mutter fragte, wie gross das Risiko eines Bäckerasthmas sei. Weil dies niemand beantworten konnte, stellte ich beim Nationalfonds ein Forschungsgesuch. Dieses wurde für 3 Jahre bewilligt. So entstand in Grabs von1983 bis 2007 die längste, kontinuierliche seroepidemiologische Querschnittsuntersuchung (Untersuchung des Serums) bei Schulkindern in der Schweiz.
In den letzten Jahren hatten wir die Immunreaktionen der Schüler aus dem Jahr 1986 mit jenen von 2006 mit einer modernen Methode nachuntersucht. Dabei ist aufgefallen, dass die Schüler häufiger auf ein Molekül der Erlenpollen (rAln g 1) reagieren. 2010 untersuchten wir nun 39-jährige Erwachsene, die bereits im Jahr 1986 bei dieser Untersuchung mitmachten. Auch sie reagierten häufiger auf dieses Erlenallergen. Aber weshalb ausgerechnet Erlen, die seit Jahrtausenden in den Auenwäldern des jungen Rheins sehr verbreitet sind?
Die Erklärung
In Buchs wurden vor 15 Jahren 96 Erlen gepflanzt. Man wollte einheimische Bäume, aber eine besonders schöne Sorte. So fiel die Wahl auf die Purpurerle. Diese Sorte wurde 1908 erstmals von Carlier in einem Baumgarten in Berlin beschrieben. Sie entstand aus einer Kreuzung zwischen einer kaukasischen Erle und einer japanischen oder sibirischen Erle. Wegen den schöneren Blättern wurde sie als Zierbaum weiter gezüchtet, wuchs auch sehr rasch und erwies sich als winterresistent.
In Buchs ist nun aufgefallen, dass dieser Baum seit drei Jahren etwa zwei Monate vor den Erlen am Rheindamm blüht, immer zwischen Weihnachten und Neujahr. Deshalb mussten die Pollenmessungen vorverschoben werden. Erlenpollen konnten so im letzten Jahr zwei Monate früher als an anderen Messstellen nachgewiesen werden, wie erwartet auch in diesem Jahr.
Warum blüht die Purpurerle so früh?
Unsere Laubbäume haben sich den Jahreszeiten angepasst. Im Herbst lassen sie die Blätter fallen. Sie können so besser überwintern und Nährstoffe speichern. Sie brauchen einen Kältereiz, um den Winter zu spüren («Chilling»-Effekt). Eine Kälteperiode, üblicherweise Anfang Dezember, bewirkt dies. Nun warten sie auf den Frühling. Die Purpurerle kann dank ihrer sibirischen Gene möglicherweise mehr Frost nach dem Erblühen riskieren als beispielsweise Apfelbäume. Solche Zusammenhänge zwischen Umweltfaktoren und Genetik (Epigenetik) sind nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Bäumen noch weitgehend unklar. Deshalb sind diese Beobachtungen äusserst spannend. Beeinflussen beispielsweise Temperatur oder Licht den Blühbeginn dieser Stadterlen? Oder ist es eine Folge der Klimaerwärmung?
Was soll mit diesen Bäumen geschehen?
Der Gemeinderat von Buchs reagiert hier sicher gut. «Man soll diese Bäume nicht einfach fällen und eine Betonwüste erzeugen. Sehr sinnvoll aber ist, keine neuen Bäume dieser Art zu pflanzen, weder hier noch anderswo, also in den Strassen der Städte nicht unnötig viele und riskante Allergene freizusetzen.»
Eine Zusammenfassung der Studienerkenntnisse wurde in der Ausgabe vom 23. Januar 2012 im «New England Journal of Medicine» publiziert.
An der Studie beteiligt waren
Dr. med. Markus Gassner
Frei praktizierender Arzt in Grabs (SG)
Im Rahmen seiner schulärztlichen Tätigkeit beobachtete er, dass Kinder aus Bauernfamilien deutlich weniger an Heuschnupfen und anderen Allergien leiden. Über 20 Jahre hat er diese Beobachtung anhand von Blutproben analysiert. Seine vielfach publizierten Erkenntnisse gaben Anstoss zu nationalen und internationalen Forschungen an Universitäten, lösten neue Therapieansätze aus und standen am Anfang der «Hygienehypothese». Für seine Verdienste wurde Markus Gassner 2008 mit einem aha!award ausgezeichnet.
Prof. Dr. med. Peter Schmid-Grendelmeier
Leiter der Allergiestation des Universitätsspitals Zürich (Blutuntersuchungen)
Dr. Regula Gehrig Bichsel
Biometeorologin beim Bundesamt für Klimatologie und Meteorologie MeteoSchweiz (Pollenmessungen)
Redaktion: aha! Allergiezentrum Schweiz, in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Beirat. Für Prävalenzzahlen siehe Quellenverweise.