«Ein Einsatz von unschätzbarem Wert»
Wie sieht das Gesundheitssystem der Schweiz von morgen aus? Ständerat Hans Stöckli – Präsident der Schweizerischen Gesundheitsligenkonferenz (GELIKO), die die Interessen von Menschen mit chronischen Krankheiten in der Politik vertritt – wirft einen Blick in die Zukunft und erklärt, warum die Gesundheitsorganisationen unersetzbar sind.
Stiftung aha!: Herr Stöckli, haben Sie Heuschnupfen, vertragen Sie Milch und Weizen? Ist jemand in Ihrem Umfeld von einer Allergie oder Intoleranz betroffen?
Hans Stöckli: Ich kenne die erschwerten Lebensbedingungen von Menschen mit Allergien nicht aus persönlicher oder familiärer Betroffenheit, sondern aus meiner Tätigkeit als Gesundheitspolitiker.
Im Gegensatz zu Ihnen sind in der Schweiz rund 3 Millionen Menschen von Allergien und Unverträglichkeiten betroffen. Als Präsident der Gesundheitsligenkonferenz (GELIKO) kennen Sie die Organisation aha! Allergiezentrum Schweiz gut. Wie schätzen Sie deren Rolle ein?
Zum grossen Glück gibt es die Organisation aha! Allergiezentrum Schweiz – sie ist eine unersetzliche Hilfe für alle Betroffenen und ihre Angehörigen. Dort können sie sich kompetent beraten und über gesundheitsfördernde Massnahmen informieren lassen. Auch die präventive Wirkung ihrer Arbeit kann nicht genügend hervorgehoben werden.
Sie sind Ständerat, Gesundheitspolitiker und bestens vertraut mit dem Schweizer Gesundheitswesen. Braucht es gemeinnützige Organisationen wie die Stiftung aha!?
Unbedingt. Unser Gesundheitssystem würde kollabieren, wenn die zahlreichen gemeinnützigen Gesundheitsorganisationen mit über 1‘100 Vollzeitstellen nicht tagtäglich ein breites Spektrum an Leistungen im Umfange von gegen 300 Millionen Franken pro Jahr erbringen würden. Dieser Einsatz ist für unsere Gesundheitsversorgung von unschätzbarem Wert.
Die gemeinnützigen Organisationen sind damit eine wichtige Säule – werden sie es auch in Zukunft sein?
Da gibt es keine Zweifel – ihre Rolle wird in den kommenden Jahren sogar an Bedeutung gewinnen.
Warum?
Mit der steigenden Lebenserwartung nehmen die chronischen Krankheiten zu. Je älter die Menschen werden, desto zahlreicher treten diese Gesundheitsstörungen auf. Vielen ist heute nicht bewusst, welch‘ unschätzbaren Mehrwert unsere Organisationen, die notabene 60 Prozent ihrer Ausgaben durch private Spendegelder finanzieren, erbringen.
Wie wird sich denn die Landschaft der Leistungserbringer im Gesundheitssystem in der Schweiz verändern?
Die Leistungserbringer werden die Menge und Qualität ihrer Arbeit erhöhen müssen, und zwar ohne dass ihnen entsprechend mehr Geld zur Verfügung stehen wird. Das bedingt eine Überprüfung der noch sehr fraktionierten Strukturen, eine effektivere Gestaltung der Leistungen, eine bessere Zusammenarbeit unter den Akteuren und eine stärkere Einbindung der betroffenen Menschen.
Worin sehen Sie in diesem Umfeld die Stärken und Möglichkeiten der GELIKO, die die Gesundheitsligen – und damit auch aha! Allergiezentrum Schweiz – vertritt?
Die Gesundheitsligen verfügen über eine hohe Fachkompetenz, sie sind stark regional verankert, haben eine gesunde Nähe zu den Patientinnen und Patienten und geniessen daher ein grosses Vertrauen. In Zukunft müssen jedoch auch wir unsere Strukturen vereinfachen, vermehrt kooperieren und gemeinsam für die Anliegen unserer Betroffenen eintreten – auch in der Öffentlichkeit.
Was ist nun wichtig und richtig in der Gesundheitsversorgung der Schweiz? Wo setzen Sie Ihre Bemühungen an?
Ich setze mich als Gesundheitspolitiker für die Stärkung und gerechtere Abgeltung der Prävention ein und ich unterstütze alle Bemühungen für eine besser koordinierte Gesundheitsversorgung.
Haben Sie eine Vision, wie ein funktionierendes integriertes Gesundheitssystem aussehen könnte?
Ja, die habe ich! Es ist in meinen Augen wichtig, unsere individuelle Gesundheitskompetenz zu stärken. Das geschieht, indem wir uns Wissen und Erfahrung aneignen sowie praktischen Erfolgsbeispielen folgen. Das passiert in der Familie, der Schule, der Freizeit und am Arbeitsplatz, und dabei kommt den gemeinnützigen Gesundheitsorganisationen eine zentrale Rolle zu. Die Gesundheitskompetenz steigert - zusammen mit Prävention und einer guten Koordination – die Eigenverantwortung jedes Einzelnen. In der Folge leben wir einerseits gesünder und nutzen andererseits bei Gesundheitsproblemen erst unsere erworbene Kompetenz. In einem zweiten Schritt konsultieren wir Angehörige, das Internet, die Gesundheitsorganisationen, unsere Drogistin oder unseren Apotheker. Und erst dann, am Schluss, kommt es zu den kostspieligen Arztbesuchen.